Pressebericht | Rap im Klassenzimmer: Beschimpfungen sind verboten

WAZ Plus Oberhausen, 26.04.2025, von Dominik Loh

Foto: FUNKE Foto Services, Stefan Arend

Oberhausen. Die Rap-AG der Oberhausener Fasia-Jansen-Gesamtschule produziert sozialkritische Songs. Die Drehs und Aufnahmen finden im Tonstudio statt.

Zusammenfassung

  • Die Rap-AG der Fasia-Jansen-Gesamtschule beeindruckt mit sozialkritischen Texten und hat bereits mehrere Preise gewonnen, darunter den Martin-Gauger-Preis.
  • Unter der Leitung von Sozialarbeiter Hossam Ali entwickeln Schüler Songs, die in einem professionellen Tonstudio aufgenommen werden, und setzen sich kritisch mit Themen wie soziale Ungerechtigkeit und Vorurteile auseinander.
  • Die Rap-AG wird mittlerweile öffentlich gefördert und bietet Schülern, die sich in traditionellen Fächern schwer tun, eine kreative Plattform, um ihre Stimme zu erheben und sich künstlerisch auszudrücken.

Als die Schüler in der Aula des Bertha an die Opfer der Nazi-Zeit erinnerten, war dies ein sehr ernster Vormittag. Trotzdem ertönte nach dem eingespielten Video der Fasia-Jansen-Gesamtschule anhaltender Applaus. Hunderte Schülerinnen und Schüler pfiffen und klatschten für das Musik-Video der Rap-AG. Wegen Zeilen wie dieser: „Menschen leiden Hungersnot / haben nicht mal ein Butterbrot / Weil die Reichen keine Grenze kennen / siehst du Arme fürs Essen betteln“. Der Song trägt den Titel „Deine Würde“. Der Refrain ist eine eindringliche Warnung: „Nur weil die Erde sich dreht heißt‘s nicht, dass es so bleibt / Irgendwann ist‘s zu spät für die Menschlichkeit“.

Die Zeilen geschrieben haben Solveigh Reinemann, Elaine Scheuer, Bilal El Zein und Eldal Nas. „Es hat einfach gepasst“, sagt die 19-jährige Elaine Scheuer. Die Ideen kämen ganz spontan, manchmal während der Schule, manchmal danach. „Ich schreibe mir Notizen bei Whatsapp an mich selbst. So vergesse ich es nicht“, sagt die Oberstufenschülerin. Sie mag R‘n B, schreibt Songs auch in ihrer Freizeit. In der AG trifft sie auf Gleichgesinnte wie Solveigh Reinemann. „Mein Vater hat mich als Kind durch Klassik-Konzerte geschleift.“ Heute rappt die 18-Jährige über soziale Ungerechtigkeit und Kälte.

Oberhausener Schul-Projekt: Fasia-Jansen-Gesamtschule geht neue Wege

Zeilen gerappt werden an der Oberhausener Gesamtschule schon seit zehn Jahren. Sozialarbeiter Hossam Ali startete mit dem Projekt, als er seine Aufgabe in der Innenstadtschule aufnahm. Heute arbeitet er auch mit Förderschülern zusammen. Der Rap ist ein fester Bestandteil geblieben. „Ich habe Schüler, die kommen kaum zum Unterricht, aber wenn wir Samstag um 8.45 Uhr ein Video produzieren wollen, sind sie noch vor mir da“, sagt Ali.„Ich habe Schüler, die kommen kaum zum Unterricht, aber wenn wir Samstag um 8.45 Uhr ein Video produzieren wollen, sind sie noch vor mir da“.

Die Schülerinnen opfern dafür ihre Zeit. Gemeinsam entwickeln sie Songs und nehmen sie anschließend auf. Hossam Ali hilft bei den Zeilen, gibt Tipps. Er hat selbst gerappt, war Produzent, bringt somit viel Erfahrung mit. Mit „Gangster-Rap“ habe die AG nichts zu tun. Mit seinen Schülern spreche er kritisch über die frauenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Texte. „Beleidigungen gibt‘s bei uns nicht. Es gibt schönere Wege, um seinen Konkurrenten zu

Rap-AG gewinnt renomierten Martin-Gauger-Preis

Vor drei Jahren gewann die Rap-AG den renommierten Martin-Gauger-Preis des Richterbundes für den Song „Geboren, um zu leben“. Selbstbewusst rappen sich die Jugendlichen den Frust von der Seele. „Ich werde oft nicht akzeptiert, weil ich Ausländer bin und schwarze Haare habe / ich finde es nicht korrekt, denn Mensch ist Mensch / Ich gehöre zu keiner Rasse denn ich bin kein Hund / In meinen Augen sind alle meine Leute bunt“. 2023 heimste die AG den zweiten Platz beim Jugendkulturförderpreis NRW ein. Auch den aktuellen Song „Deine Würde“ hat Hossam Ali in Wettbewerben eingereicht.

Mittlerweile wird die Rap-AG mit öffentlichen Geldern unterstützt. Die Ansprüche sind gewachsen, die Songs werden in einem Tonstudio in Mülheim aufgenommen. Videodrehs sind durchdacht und professionell. Hossam Ali klärt seine Schützlingen auch über Künstlerrechte und Verträge auf. An den Wurzeln hat sich nichts geändert. „Wenn es Probleme gibt, kann man darüber rappen. Aber es geht nicht darum, mit einem Leasing-Benz durch die Gegend zu fahren.“ Rap sei eine Musik mit Haltung und Anspruch. „Rap hat eine Vorbildfunktion“, sagt Hossam Ali.

Geändert hat sich in den vergangenen Jahren aber viel. Dank Spotify kann heute jeder zum Künstler werden. Nicht mehr die Manager von Plattenlabels, sondern die Masse entscheidet, ob ein Musiker zum Star wird. Die Schattenseite: Es wird schwerer, sich als ernstzunehmender Künstler zu behaupten. „Einige Künstler gehen dadurch ein bisschen unter“, findet Elaine. „Man nimmt den Künstlern das Künstlersein weg.“ Auch Solveigh, die mit klassischer und Jazz-Musik großgeworden ist, findet: „Leute, die sich ernsthaft Mühe geben, haben es schwerer.“

Was Rap über den Fame hinaus kann, erlebt Hossam Ali jede Woche. Schüler, die sich mit Mathe und Deutsch schwertun, blühen bei ihm auf. „Wenn das Interesse da ist, kommt dabei richtig gute Musik raus.“ Das ist auch was wert.